Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

13. März 2023

Politische Arbeit | Wichtige Voten im Rat

Strafgesetzbuch und Jugendstrafgesetz. Änderung

Ich bin kein strafrechtlicher Hardliner, und ich sitze ja sogar, wie wir gemerkt haben, links von Frau Mazzone. Aber ich möchte Sie dennoch davon überzeugen, dass es notwendig ist, diese Lücke hier zu schliessen.
Stellen Sie sich vor, dass jemand mit 18 Jahren einen Mord begeht, das schlimmste Kapitalverbrechen überhaupt, und wir als Gesellschaft den dringlichen Verdacht haben, dass er draussen weitere Morde begehen würde. Liessen wir ihn dann einfach weiter morden? Nein, wir würden die Gesellschaft mit ganz gezielten Massnahmen schützen, namentlich mit stationärer Therapie oder, wenn das nicht genügt, als Ultima Ratio, mit der Verwahrung; das tun wir.
Stellen Sie sich nun aber vor, dass genau derselbe Mörder genau denselben Mord einfach kurz vor seinem 18. Geburtstag verübt, wie zum Beispiel der Siebzehneinhalbjährige, der 2008 im Kanton Aargau eine junge Frau ermordete. Genau in dieser Konstellation versagt eben unser Sicherheitsdispositiv. Die maximale Freiheitsstrafe beträgt dann vier Jahre, und Massnahmen darüber hinaus greifen höchstens bis zum 25. Geburtstag. Also spätestens am 25. Geburtstag dieses Mörders enden alle Sanktionen, sogar schon vorher, wenn er therapieunfähig oder therapieunwillig ist, weil Sie dann nicht einmal eine Schutzmassnahme anordnen dürfen.
Eine stationäre Therapie oder eine Verwahrung, wie bei richtigen Erwachsenen, gibt es heute eben nicht. Es gibt nur einen Kniff, den man versuchen kann anzuwenden, Frau Mazzone hat ihn erwähnt: die fürsorgerische Unterbringung nach Erwachsenenschutzrecht. Das hat das Bundesgericht in jenem Fall probiert und dann, wahrscheinlich zu Recht, in Strassburg eins auf die Finger bekommen. Man hat gesagt: Nein, die fürsorgerische Unterbringung nach Erwachsenenschutzrecht ist eine Massnahme einzig und alleine zum Schutz der betroffenen Person, also zum Schutz des betroffenen Mörders, falls der in seinem Leben dann Probleme hätte. Nur dann darf man diese gesetzliche Grundlage beiziehen, aber nicht dann, wenn die Person selber für sich ein "normales Leben" führt, aber halt Dritte durch weitere Morde gefährdet. Uns fehlt einfach die Rechtsgrundlage, das ist schlicht und ergreifend die Ausgangslage.
Um diese Lücke zu schliessen und aufgrund einer Motion, die in beiden Räten einhellig angenommen wurde, schlägt der Bundesrat mit dieser Vorlage 2 nun eine ganz zielgerichtete Reform vor. Neu sollen erwachsene - ich betone: erwachsene - Personen weiterhin in Sicherheitshaft gehalten werden, wenn sie einen Mord im Alter zwischen sechzehn und achtzehn Jahren begangen haben.
Es gibt noch weitere strenge Voraussetzungen; auch dank der Vernehmlassung waren der Bundesrat und dann sicher auch wir in der Kommission hier besonders streng. Die Anlasstat muss ein Mord sein. Wir haben aus Gründen der Verhältnismässigkeit extra darauf verzichtet, weitere schlimme Delikte, die im Strafrecht als etwas weniger scharf klassiert werden, auch aufzunehmen. Es muss ein Mord sein, es muss die Gefahr weiterer Morde, qualifizierter Tötungen, bestehen. Der Täter muss schon sechzehn oder siebzehn Jahre alt gewesen sein, das betrifft also keine jüngeren Personen. Er muss jetzt erwachsen sein, und eine Therapie und eben auch die fürsorgerische Unterbringung müssen unmöglich sein. Nur wenn das alles gegeben ist, könnte man diese Massnahme neu anwenden. Um noch ein milderes Instrument einzuführen, habe ich in der Kommission bereits angeregt, dass wir - wenn Sie dann heute hoffentlich eintreten - vor einer möglichen Verwahrung zuerst noch prüfen, ob auch eine stationäre Therapie möglich wäre, wie sie eben auch bei Erwachsenen zur Anwendung kommt.
Frau Mazzone hat die kritischen Rückmeldungen, die nach der Vernehmlassung aber grossteils in die Vorlage einflossen, erwähnt. Man darf auch noch sagen, dass immerhin fünfzehn Kantone wie auch die Parteien, die sich gemeldet haben, die Änderung unterstützt haben. So möchte ich jetzt zur Abrundung nur noch ein paar Argumente widerlegen, die seitens der Kollegin zu meiner Rechten geäussert wurden.
Ja, es sind wenige Fälle - zum Glück sind es wenige Fälle. Zum Glück laufen in diesem Land nicht reihenweise junge Mörder umher. Aber wir sprechen vom schlimmstmöglichen Fall, den es eben auch gibt; einen pro Jahr gibt es. Auch diesem sollten wir mit einem guten Sicherheitsdispositiv begegnen können. Da es ja wenige Fälle sind, lässt sich auch sagen, dass diese Massnahme nur bei wenigen Personen greift. Das ist bei solch scharfen Massnahmen ja auch gerade wünschenswert. Es spricht also für die Vorlage, dass es wenige Personen sind, die dann davon betroffen sein werden.
Weiter wurde das Jugendstrafrecht erwähnt. Da gehe es doch um Schutz und um Erziehung von Jugendlichen. Ja, selbstverständlich geht es darum. Darum lässt man sogar bei einem jungen Mörder zuerst einmal alle anderen Massnahmen greifen. Er unterliegt allen Massnahmen des Jugendstrafrechts. Aber irgendwann ist die Person 25 Jahre alt. Sogar die Männer sind dann ausgereift, Kollegin Mazzone, die Frauen schon früher, wie wir gehört haben. Man nimmt an, mit spätestens 25 seien wirklich alle im Erwachsenenalter angekommen. Dann erst prüfen wir: Ist diese Person jetzt, nachdem wir von 17 bis 25 alles probiert haben, noch gefährlich? Dann können wir natürlich bei dieser zum Tatzeitpunkt noch jungen Person nicht mehr bis zum Ende aller Tage mit Jugendschutzinstrumenten verfahren.
Die Massnahme setzt auch richtige Anreize. Sie haben gesagt, es sei für den Jungen ein Damoklesschwert, wenn im Urteil stehe, dass später vielleicht Massnahmen getroffen würden. Ich behaupte das Gegenteil. Was schliesst der junge Mörder heute daraus? "Wenn ich mich in der Therapie etwas blöd anstelle, dann gibt es keine Therapie mehr; dann fällt diese weg. Das heisst, dass ich höchstens vier Jahre weg bin. Danach komme ich in jedem Fall raus, denn im Gesetz steht, dass ich mit 25 auf der Strasse bin - 'ghaue oder gstoche'." Die Reform setzt die nötigen Anreize, denn der junge Mann weiss dann: "Ich sollte mich etwas darum bemühen, mich zu integrieren, denn sonst könnte die Haft im schlimmsten Fall der Fälle länger dauern."
Auch für die Richter setzt die Massnahme keine falschen Anreize. Das war noch Ihr letzter Punkt. Sie haben gesagt, dass der Richter nicht auf Mord entscheiden würde. Der Jugendrichter ist ja nur am Anfang des Verfahrens da, dann, wenn es um den Mord geht. Es ist gleich wie heute. Er muss sechs, sieben Jahre später nicht entscheiden, ob eine solche Massnahme greift oder nicht. Je nach Urteil muss er nur vormerken, dass diese Massnahme einmal ergriffen werden könnte. Ob es dazu kommt, entscheidet später, wenn die Person 25 ist, ein Erwachsenengericht auf Antrag der Vollzugsstelle. Damit sind die Anreize auch da richtig gesetzt.
Alle Argumente, die gegen die Vorlage vorgebracht wurden, können widerlegt werden, umgekehrt können wir eine anerkanntermassen bestehende Lücke gegen wenige, aber hochgefährliche Gewalttäter schliessen. Der Antrag, der nun als Minderheitsantrag vorliegt, wurde in der Kommission nur knapp, mit 7 zu 5 Stimmen, abgelehnt.
Ich bitte Sie, dem Bundesrat und der Minderheit zu folgen und auf die Vorlage einzutreten.
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