Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

29. Mai 2017

Wichtige Voten im RatVorstösse

Parlamentarische Initiative Lang Josef. Aufhebung von Artikel 293 StGB

Ich bitte Sie, der Mehrheit zu folgen, die verbesserte, optimierte Fassung dieses Artikels anzunehmen und den Artikel nicht ganz aufzuheben. Dies sage ich aus der Überzeugung, dass wir in unseren behördlichen Verfahren einen gewissen Geheimnisschutz brauchen, dass also Behörden sich ihren Willen bilden können müssen, ohne dabei permanent Lecks ausgesetzt zu sein. Derjenige, der dem Geheimnis zwar nicht untersteht, aber davon profitiert, wenn er es vorsätzlich veröffentlicht, verhält sich ähnlich wie derjenige beim Insiderdelikt, der als geheim klassierte Informationen erhält und diese dann zum eigenen Profit oder zum Profit des Medienkonzerns vorsätzlich ausnützt. Er ist damit an sich ein "Informations-Hehler", selbstverständlich nur bei Vorsatz. Dies alleine begründet für mich hier auch die Strafwürdigkeit.
Auf der anderen Seite gibt es kein generelles öffentliches Interesse, alle Geheimnisse auszuplaudern. Wenn ein solches bestünde, könnten wir die Geheimhaltung aufheben und alles transparent machen, was in irgendeinem Gremium geschieht. Wir gehen aber davon aus, dass es einen gewissen Schutz braucht. Ironisch ist ja in gewissem Mass, dass es ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte war, das diesen Prozess ausgelöst hat. Es ist aber der gleiche Gerichtshof, der sagt: Wenn man diese Norm aufheben würde, hätten wir ein neues Problem. Dann wären nämlich die persönlichen Daten von Menschen, die sich in staatlichen Verfahren befänden, nicht mehr geschützt. Dann würden sie von Journalisten plötzlich an die Öffentlichkeit gezerrt, ohne dass diese ein Interesse daran hätte.
Dennoch aber ist diese Reform nicht, wie Kollege Jositsch gesagt hat, bloss kosmetisch, sondern sie bietet zwei handfeste Vorteile für die Journalisten. Zum einen können sie ganz von Strafe befreit werden, zum andern gibt es mehr Argumente, die man neu zu ihren Gunsten anführen kann. Neu wird umfassend öffentliches und privates Interesse abgewogen. Damit bliebe auch die Möglichkeit des Whistleblowings, die Kollege Jositsch am Herzen liegt, bestehen. Dies wäre einfach nicht im Sinne einer Carte blanche für die Journalisten, mit der sie immer in die Pfeife blasen könnten, wenn es ihnen gefiele oder es auflagefördernd erscheinen würde, sondern nur dann, wenn wirklich ein überwiegendes Interesse bestünde.
Nun sagt Kollege Jositsch, es sei den Journalisten nicht zuzumuten, jedes Mal die Interessen abzuwägen. Wenn aber der Grundsatz ist, dass Geheimnisse und Verfahren geschützt sind, dann muss es eben Pflicht des Journalisten sein zu überlegen, ob es in diesem einen Fall wirklich gute Gründe gibt, eigenmächtig davon abzuweichen. Es gibt dabei auch mehr Rechtssicherheit als heute. Heute muss ein Journalist quasi zum Konzernjuristen gehen, um zu fragen, ob er etwas veröffentlichen darf. Dieser wird sagen: "Ich weiss es nicht, aber wahrscheinlich nicht." Neu wird er sagen: "Ich weiss es immer noch nicht, aber du hast eine faire Chance, alle Argumente für ein öffentliches Interesse ins Feld zu führen." Der Journalist hat also ein breiteres Betätigungsfeld.
Zur Angst vor Missbrauch: Diese Möglichkeit sehe ich auch nicht so wie Kollege Jositsch. Denn am Schluss ist es ja die unabhängige Justiz, die darüber entscheidet, ob eine Handlung gerechtfertigt war. Die Verwaltung kann nicht selber sagen: "Unser Interesse war hier dermassen überwiegend, dass wir dich jetzt bestrafen." Sie muss sich an den Richter wenden, der dann entscheidet.
Summa summarum möchte ich mit der Mehrheit hier den behördlichen Geheimnisschutz als Grundsatz aufrechterhalten, mit einer etwas menschenrechtstauglicheren Umsetzung, die dem Journalisten im Einzelfall etwas mehr Spielraum gibt.

Mehr