Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

04. Mai 2020

Politische Arbeit | Wichtige Voten im Rat

Erklärung des Bundesrates zur Corona-Pandemie


Ich schliesse mich dem schon mehrfach geäusserten Dank einerseits an unsere Ratsleitung und andererseits an die Exekutive für ihre unermessliche Schaffenskraft in dieser Zeit an. Herr Ständerat Jositsch hat die staatspolitische Thematik und auch die Kommissionen erwähnt. Ich gestatte mir, noch drei institutionelle Gedanken anzubringen.
1. Zum Parlament: Wir können es nicht wegreden, die Bundesversammlung war auf den Pandemiefall unzureichend vorbereitet. Insbesondere unsere virtuellen Arbeitsformen waren und sind nicht auf der Flughöhe, die sie haben sollten. Dennoch möchte ich auch zu diesem Thema unserem Präsidenten das Kompliment aussprechen, dass er sich von Anfang an immer stark spürbar dafür eingesetzt hat, dass wir handlungsfähig bleiben. Ein Kompliment geht auch an die Parlamentsdienste, die diese Session organisiert haben und die in äusserst kurzer Zeit dafür gesorgt haben, dass wir digital ein wenig aufrüsten. Bisweilen spürte man bei diesem Neustart noch die angezogene Handbremse. Immerhin war es dann dank der 32 Unterschriften aus diesem Saal möglich, die Session thematisch umfassend zu gestalten.
Dem Appell von vielen Kommissionspräsidenten und der Ratsleitung verdanken wir es, dass wir nach dieser Session nach Belieben wieder tagen dürfen. In diesem Zusammenhang hätte ich mir gewünscht, dass wir unsere Geschäfte - auch die aufgestauten - schneller bearbeiten könnten und zum Beispiel die ausserordentliche Session, die vermutlich schon am Mittwochabend zu Ende ist, noch genutzt hätten, um weitere wichtige Geschäfte zu behandeln, die liegengeblieben sind. Oder man könnte auch die Sommersession entsprechend ausdehnen; in der Hitze dehnt sich ja manches aus. Meine Hoffnung lebt noch weiter. Wichtig scheint mir für die Zukunft, dass wir unsere Krisenresistenz stärken, namentlich, dass wir unsere digitalen Werkzeuge updaten, die Regeln dazu festlegen und auch weitere kritische Fragen klären, zum Beispiel zum Abbruch einer Session oder zur Einberufung einer solchen Session.
2. Zur Exekutive: Der Bundesrat war ebenso wie das Parlament - man muss es bei allen Komplimenten sagen - auch nicht perfekt auf diesen Pandemiefall vorbereitet. In diesem Fall war das Problem nicht die eigene Organisation. Die scheint bestens zu funktionieren. Sie sind auch nur 7, nicht 246 Personen. Problematisch war hingegen die Pandemievorbereitung gemäss den eigenen Pandemieplänen. Ich sage in aller Demut, dass ich es wahrscheinlich keinesfalls besser gemacht hätte, aber man darf doch feststellen, dass es nicht perfekt war. Verständlich war vor diesem Hintergrund, dass man diesen Zug, der etwas zu lange und zu schnell auf diesen drohenden Abgrund zufuhr, wenn nicht gleich stilllegte, dann immerhin auf Schritttempo abbremste. Danach wurde mit riesigem Engagement in vielen drastischen, aber im Grossen und Ganzen wohl angemessenen Schritten gearbeitet. Hier geht auch ein Kompliment an den Bundesrat.
Doch auch hier sind die Lehren für das Parlament zu ziehen, jetzt wieder institutionell gesehen. Die Regeln unseres Notrechts, Herr Kollege Jositsch hat es schon angetönt, sind nicht für diesen Fall angelegt. Der Bundesrat sah sich gezwungen - und wir werden noch genau anschauen, wo das alles zu Recht erfolgte -, die Notrechtsklausel unserer Verfassung sehr weit zu nutzen, auch bei Themen, bei denen man vor zwanzig Jahren nie davon ausgegangen wäre, dass hierfür diese Notrechtsklausel angerufen würde. Auch in zeitlicher Hinsicht ist diese Notrechtsklausel nicht für den Pandemiefall geschrieben worden, in dem man einen lange andauernden Eingriff in so viele Grundrechte hat und die Pandemie dann noch in vielleicht wiederkehrenden Wellen kommt. Hier muss unsere Lehre die sein, dass wir uns Gedanken machen, ob die Leitplanken fürs Notrecht, die man vor knapp zehn Jahren schon einmal überarbeitet hat, aufgrund der Lehren aus der Krise verbessert werden können, damit diese Fragen nächstes Mal demokratisch besser abgestützt sind.
3. Zum Zusammenwirken der beiden Gewalten: Hier wiederum gibt es ein Kompliment an beide für den Dialog der Gewalten, den sie ad hoc für dieses Thema kreiert haben. Man kann aber auch hier nicht übersehen, dass das Parlament zu wenig nahe am Geschehen war. Der Grund ist zum einen, dass es, wie erwähnt, technisch und organisatorisch sozusagen auf Sparflamme lief, und zum andern, dass ihm die nötigen Instrumente teilweise fehlten. Unser Präsident hat das parlamentarische Notverordnungsrecht angesprochen, auch Kollege Bischof hat das getan. Aber wir müssen uns eingestehen: Dieses Instrument hat seine Feuertaufe nicht bestanden. Denn schon in der ersten Kommissionssitzung kam man zum Schluss, dass man statt mit diesem Instrument viel lieber mit Briefen oder Motionen arbeitet. Aber aus parlamentarischer Sicht ist das halt schon nicht dasselbe. Das sind am Schluss, in der Krisensituation, Wünsche des Parlamentes an die Exekutive.
Das zweite Element, das wir neben schnellen, starken Instrumenten nicht hatten, waren die entsprechenden Gremien. Wir haben bezüglich der Finanzen zwar die Finanzdelegation, aber es gibt sie nicht bezüglich der anderen Notrechtsbeschlüsse. Hier wurden die entsprechenden Ideen ja auch schon geäussert; Kollege Rieder hat so etwas schon skizziert. Auch schon früher war das Thema auf dem Tisch. Ich glaube, es wäre richtig, dass wir das als drittes Thema für die Stärkung unserer Institutionen wieder aufs Tapet brächten. Die Frage lautet: Wie können wir die Institutionen hinsichtlich des Zusammenspiels stärken? Dann sind wir nicht mehr wie jetzt auf den Goodwill der Exekutive angewiesen, welche diese Motionen freundlicherweise so schnell beantwortet hat und so schnell umsetzen will. Auf diesen Goodwill sollten wir mit guten Regeln eigentlich nicht angewiesen sein.
Mein Fazit: Wir alle, Parlament und Bundesrat, waren ungenügend auf die Pandemie vorbereitet und haben sie unterschätzt - dies, ohne jemandem Vorwürfe zu machen, einfach als Feststellung. Der Bundesrat hat seither äusserst kraftvoll gehandelt. Unser Parlament aber hatte Anlaufschwierigkeiten und zu schwache Instrumente und daher Mühe, seine Rolle als Gegenpart auf Augenhöhe wahrzunehmen.
Ich darf immerhin andeuten, Kollege Jositsch, dass die beiden Staatspolitischen Kommissionen diese Regeln jetzt natürlich untersuchen und studieren. Wenn ich sehe, wie sich alle Akteure bis anhin verhalten haben, bin ich voller Zuversicht, dass wir mit den Mitteln, die wir aktuell zur Verfügung haben - die bestehenden Regeln und die ausserordentliche Session -, das Beste machen.

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