Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

05. März 2013

Wichtige Voten im Rat

Bankengesetz (Sicherung der Einlagen). Änderung

Eine Saga findet bald ihr Ende, diejenige der Suche nach der Lösung für die nachrichtenlosen Vermögen. Eine Differenz bleibt noch. Die FDP-Liberale Fraktion legt Ihnen ans Herzen, sich mit der Minderheit Noser dem Bundesrat und dem Ständerat anzuschliessen. Zur Begründung möchte ich Ihnen eine andere Saga erzählen, eine aus meiner Familie.

Meine Grossmutter Henriette Caflisch-Weill war Schweizer Jüdin mit Geburtsjahr 1921. Als sie zwanzig Jahre alt war, begann im Dritten Reich der eigentliche Holocaust. Meine Grossmutter verlor dabei mehr als einen ihrer deutschen und osteuropäischen Verwandten. Als meine Grossmutter 76 Jahre alt war, wurden die Listen der nachrichtenlosen Vermögen publiziert. Das war 1997, also 56 Jahre nach Beginn des Holocausts. Ich erinnere mich, wie meine Grossmutter die Aufrufe in der "NZZ" studierte, um herauszufinden, ob sie allenfalls erbberechtigte Verwandte eines verschollenen Kontoinhabers sei. Es war vergebens. Es ist zwar gut möglich, dass einer ihrer Verwandten ein Konto in der Schweiz hielt, doch dies herauszufinden, geschweige denn zu beweisen, war ihr unmöglich. Sie hätte zudem beweisen müssen, dass in der Zwischenzeit weiter auf dem Globus verstreute Nachkommen nicht ebenso erbberechtigt seien. Nachkommen vervielfachen sich ja mit jeder Generation quasi exponentiell. Es ist ein Fakt, dass die Beweisführung mit Ablauf der Zeit schwieriger bis nahezu unmöglich wird. Wir brauchen daher bis zu einem gewissen Zeitpunkt auch Rechtssicherheit. Darum haben wir ja Verjährungsfristen, 10 Jahre für Forderungen, 30 Jahre für schwere Straftaten.

Ich habe letzthin meinem Patenkind zu seiner Taufe Banknoten aus seinem Geburtsjahr 2011 geschenkt. Bevor es so alt ist wie ich, werden diese Noten schon ausser Kurs sein. In diesem Kontext ist eine Frist von 62 Jahren gegenüber einer Bank, so wie es die Minderheit, der Bundesrat und der Ständerat vorsehen, eine grosszügige Frist. Sie ermöglicht, dass dank der Übergangsfristen im konkreten Fall sogar heute noch allfällige Ansprüche der Vorfahren meiner Grossmutter angemeldet werden könnten. Das gilt natürlich auch für all die Nachkommen von z. B. osteuropäischen Juden, die dank diesem Gesetz zusätzlich zur Frist der Publikation noch eine Übergangsfrist von fünf Jahren erhielten.
Die Mehrheit möchte diese Frist um weitere 50 Jahre verlängern. Dies hiesse konkret in meinem Fall, dass sich der Bund darauf einrichten müsste, dass meine Enkel bis in die Sechzigerjahre des 21. Jahrhunderts noch Ansprüche der Vorfahren ihrer Ururgrossmutter anmelden könnten.

Dem Bund diese nahezu ewige Pflicht der Aufbewahrung, Dokumentation und zu einem allfälligem Herausgabestreit aufzubürden, ist angesichts der ohnehin fast unmöglichen Beweislage wirklich unnötig und unverhältnismässig. Wir haben es gehört: Kein anderes Land kennt eine solche Frist. Zwar kennen die USA, die ja so gerne mit dem Finger auf uns zeigen, keine solche Verwirkungsfrist, aber sie vernichten die Akten nach wenigen Jahren, so wie weiland Wachmann Meili. Wir müssen uns also um unser internationales Ansehen heute in diesem Punkt keine Sorgen mehr machen: Wir sind geradezu ein Glanzlicht.

Im Namen der FDP-Liberalen Fraktion ersuche ich Sie daher, der ausgewogenen Lösung der Minderheit Noser zuzustimmen und dem Ständerat und dem Bundesrat zu folgen. Der Ständerat hat sich ja einstimmig für diese Lösung ausgesprochen. Er wird in der Differenzbereinigung ohnehin sein ganzes Gewicht in die Waagschale werfen.