Ich möchte nur noch einen ergänzenden Gedanken anfügen. Wir haben materiell schon viele gute Gründe gehört, die gegen eine solche Zwangsungültigkeit, die faktisch eine Zwangsscheidung ist – die Folgen sind die der Scheidung – sprechen. Der Herr Bundesrat hat im Nationalrat noch weitere solche Gründe angeführt: Verhältnismässigkeit, auch das Freizügigkeitsabkommen. Aber mein zusätzlicher Gedanke ist ein praktischer. Ich glaube, dieser Versuch einer Zwangsscheidung gemäss Nationalrat würde in der Praxis auch auf der Zeitachse nicht funktionieren. Denn die Personen, um die es geht, würden, wie Herr Jositsch ausgeführt hat, im Alter zwischen 16 und 17 Jahren in die Schweiz kommen. Im Schnitt sind sie 17 Jahre alt, wenn sie in die Schweiz kommen. Eine Behörde müsste dann merken: Moment, sie sind ja nach ausländischem Recht schon verheiratet. Die Behörde müsste sie dann kontaktieren und irgendwann eine Klage vor Gericht vorbereiten. Dann ginge die Klage vor Gericht. Das Gericht würde dann die Leute anhören und zur Stellungnahme einladen. Diese könnten auch etwas auf Zeit spielen und dann zum Ausdruck bringen: Wir haben aus freiem Willen geheiratet; wir wollen zusammenbleiben; das ist in unserem Interesse. Dann würde das Gericht sagen, dass es zwar gemäss Gesetz das Interesse nicht abwägen darf, dass es aber weiss, dass diese Leute jetzt schon 17,5 Jahre alt sind und in einem halben Jahr, wenn sie 18 Jahre alt sind, alles hinfällig wird. Werden die Schweizer Gerichte, die eh schon chronisch überlastet sind, dann versuchen, noch kurz vor dem 18. Geburtstag dieser Leute eine Zwangsscheidung durchzuführen? Das würden sie natürlich nicht tun. Sowohl das Gericht wie auch die Parteien würden einfach auf die Uhr schauen. Und wenn ein überaktives Gericht diese Zwangsscheidung gemäss Beschluss des Nationalrates doch noch in diesen anderthalb Jahren durchführen wollte, dann könnten die Parteien, die ja zusammenbleiben wollen, das Urteil weiterziehen. Und wenn die Partner im Verlauf des Obergerichtsverfahren 18 Jahre alt würden, würde das wieder hinfällig. Das wäre dann ein zu beachtendes, echtes Novum.
Es ist also faktisch unmöglich, dass ein rechtskräftiger, obergerichtlicher Entscheid in dieser kurzen Zeit zwischen 16 und 18 Jahren vorliegt, der rechtskräftig Parteien, die zusammenbleiben wollen, quasi zwangsscheidet. Und wenn das doch geschähe, so würden sie am nächsten Tag einfach wieder heiraten. Es gibt also, auch wenn man die praktikable Seite betrachtet, keine Gründe, diese Zwangsscheidung einzuführen. Es braucht vielmehr den Einzelfallmechanismus, den die Kommission beantragt, noch etwas verschärft und präzisiert als Angebot an den Nationalrat.
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