Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

15. September 2021

Politische Arbeit | Wichtige Voten im Rat

Strafrahmenharmonisierung und Anpassung des Nebenstrafrechts an das neue Sanktionenrecht

Die heutige Debatte läuft ein wenig wie in der Redaktionskommission, der ich einmal angehörte. Ich möchte aber daran erinnern, worüber wir materiell eigentlich sprechen: über Mindestfreiheitsstrafen. Das ist quasi der schärfste staatliche Eingriff, den man sich als Gesetzgeber überhaupt vorstellen kann. Die Freiheitsstrafe muss mindestens so und so hoch sein. Das ist also etwas sehr Bedeutsames. Als wir dies letztes Mal diskutiert haben, war es materiell aber gar nicht klar. Die Lehre, die wir konsultiert haben, wusste nicht: Wenn "mindestens 30 Tage" steht, heisst das dann mindestens 30 Tage Freiheitsstrafe, oder könnte es auch einfach ein Tag Freiheitsstrafe sein? Da liegt für den Betroffenen eine Welt dazwischen.
Wir haben damals gesagt, das müssten wir erstens als Gesetzgeber klären, das überliessen wir nicht den Gerichten, und das müsse zweitens auch im Gesetzestext lesbar sein. Hier besteht quasi ein grundrechtlicher Anspruch auf die Anwendung des Legalitätsprinzips im Strafrecht: Sie müssen doch wissen, ob es eine Mindestfreiheitsstrafe gibt oder nicht. Wir haben uns dann entschieden und gesagt: Jawohl, es muss die gleiche Mindeststrafe sein, und zwar wegen der Parallelität, die auch Kollege Jositsch erwähnt hat.
Man muss auch geschichtlich schauen, wo man herkommt. Früher waren das Mindesthaftstrafen, die auch so im Gesetz standen. Dann hat man die Geldstrafe eingeführt und vergessen, diese Mindesthaftstrafe wieder als Mindestfreiheitsstrafe auszudrücken. Es darf nicht sein, dass jemand, der eine Freiheitsstrafe kriegt, plötzlich unter diesem alten Minimum fährt. Das würde auch bei der Umwandlung nicht funktionieren: Dann würde der eine mit der Geldstrafe eine höhere Strafe kriegen und hätte nach der Umwandlung eine hohe Freiheitsstrafe, während der andere, der direkt eine Freiheitsstrafe kriegt, unter dem Minimum läge.
Nun habe ich Herrn Sommaruga in der zweiten Debatte und auch schon in der Kommission so verstanden, dass er das inhaltlich akzeptiert, dass er also inhaltlich ebenfalls der Meinung ist, wir bräuchten bei der Höhe die Parallelität Mindestgeldstrafe gleich Mindestfreiheitsstrafe. Wenn man sich hier aber einig ist - was für mich neu ist -, dann staune ich, dass man hier über drei Runden darüber diskutiert, ob man das, worüber man sich ja eigentlich einig ist, jetzt auch ins Gesetz schreiben soll oder nicht. Der Fall ist klar: Wenn wir uns einig sind und es um etwas so Bedeutsames geht, das früher unklar war, dann müssen wir es zwingend ins Gesetz schreiben. Nochmals: Mindestfreiheitsstrafen sind der gewichtigste denkbare staatliche Eingriff, quasi kurz vor der Todesstrafe.
Herr Sommaruga, es ging Ihnen ja nicht um das Argument, das Sie zum Schluss noch vorgebracht haben. Es ging Ihnen darum, der Freiheitsstrafe nicht den Vorrang zu geben. In dieser Hinsicht kann ich Sie beruhigen: Es handelt sich um ein Argument, das hier im Grunde genommen nichts verloren hat. In Artikel 41 steht ja, dass der Richter immer begründen muss, wenn er eine Freiheits- statt einer Geldstrafe verhängt. Das hat mit dieser Frage überhaupt nichts zu tun.
Machen Sie sich also keine Sorgen, und stimmen Sie der Mehrheit zu, die diese Frage klärt.
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