Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

07. März 2023

Politische Arbeit | Wichtige Voten im Rat

Strafrahmenharmonisierung und Anpassung des Nebenstrafrechts an das neue Sanktionenrecht

Ich glaube, wir sind uns wertmässig gar nicht uneins, Kollege Jositsch - wir haben es mit Sexualstraftaten zu tun, die streng bestraft werden müssen. Deshalb haben wir diese neuen Tatbestände ja geschaffen und die Definition der Vergewaltigung erweitert. Im Strafrecht gibt es aber auch ein System, das wir gleichermassen achten und wahren sollten. Das System lautet konsequent durch das ganze Strafrecht: Bei Strafen im Bereich von unter sechs Monaten haben die Gerichte vorab zu prüfen, ob eine Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angebracht wäre. Für die Geldstrafe - das haben wir schon oft systemisch diskutiert - spricht einiges, nämlich, dass sie Geld bringt statt kostet und den Täter nicht entsozialisiert. Sollte das einen Täter aber nicht abschrecken, kann der Richter die kurze Freiheitsstrafe anordnen, auch bei all diesen Tatbeständen. So haben wir es neu wieder eingeführt.
Die Minderheit Jositsch verlangt nun einen Einbruch in dieses System. Mir scheint aber, dass dieser Einbruch zur Zielerreichung nicht notwendig ist. Denn wie erwähnt ist die kurze Freiheitsstrafe möglich, wenn sie notwendig erscheint; das haben wir vor einigen Jahren ausdrücklich ins Gesetz geschrieben. Zum Antrag der Minderheit passt auch nicht, dass die Möglichkeit einer Geldstrafe bei anderen Delikten belassen wird, z. B. bei Artikel 189 bezüglich sexueller Nötigung oder Widerstandsunfähigkeit. Wir haben die Möglichkeit einer Geldstrafe überall belassen, weil es eben unserem System entspricht, dem Richter diese Möglichkeit zu geben. Herr Jositsch hat zwar gesagt, es ginge um erzwungenen Beischlaf, aber das ist bei Artikel 190 nicht der Fall, denn es gibt ja keinen Zwang. Wenn man hier, wo keine Nötigung vorliegt, die Geldstrafe aufgibt, müsste man das überall tun. Das haben wir aber bewusst nicht getan.
Es macht auch deshalb keinen Sinn, Kollege Jositsch, die Geldstrafe auszuschliessen, da Sie sagen, das Mindestdelikt sei so schlimm, es gehe immer um ein Eindringen gegen den Willen. Das stimmt. Wenn Sie aber die Mindeststrafe ändern wollen, müssen Sie die Mindeststrafe eben auch ändern, das heisst, Sie müssten sie von drei Tagen auf beispielsweise mindestens einen, zwei oder drei Monate erhöhen. Aber Sie belassen sie - Sie belassen die Mindeststrafe bei drei Tagen. Sie sagen einfach, es müsse dann eine bedingte Freiheitsstrafe und nicht eine Geldstrafe sein. Aber es gibt im Strafgesetz den Grundsatz, dass die Strafen äquivalent sind. Die Zahl ist entscheidend - man kann ja auch umrechnen.
Kollege Jositsch hat gesagt, wir könnten ja jetzt nicht neu bei der Vergewaltigung die Geldstrafe einführen. Das tun wir auch nicht. Wir haben einfach die Definition des Begriffs "Vergewaltigung" nach unten ausgedehnt. Das, was neu unter den Begriff der Vergewaltigung fällt, das wären - man kann es kaum mehr glauben - heute teilweise nur sexuelle Belästigungen. Wenn kein Zwang vorliegt, dann ist es nach noch geltendem Strafrecht keine sexuelle Nötigung und keine Vergewaltigung. Sexuelle Handlungen gemäss Artikel 190 Absatz 1 des Entwurfes wären heute fast alle nur sexuelle Belästigungen. Das sind Übertretungen, die auf Antrag mit Busse bestraft werden. Das ist heute immer noch so. Das finden wir falsch. Darum verschärfen wir die Strafe auch und gehen rauf auf ein Vergehen mit Freiheitsstrafe oder Geldstrafe. Dass man gleichzeitig aber noch einen Schritt weiter geht und sagt, dass es in jedem Fall zwingend eine Freiheitsstrafe geben muss, auch in den Fällen mit drei Tagen Strafe - ich glaube, einen solchen Systembruch braucht es hier nicht.
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