Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

15. März 2012

VorstösseVorstösse

Privatrechtliche Anerkennung des Prostituiertenlohns

Eingereichter Text

Der Bundesrat wird eingeladen, folgende Fragen im Zusammenhang mit der Prostitution zu beantworten:

1. Teilt er die Ansicht, dass die Zeit reif ist, auch Prostituierten einen rechtlichen Anspruch auf ihren vereinbarten Lohn zu gewähren?

2. Teilt er die Ansicht, dass die alte bundesgerichtliche Auffassung, wonach ein solcher Lohn als "sittenwidrig" im Sinne von Artikel 20 OR sei, weder der Rechtsgleichheit, noch dem Schutzbedürfnis oder der Wirtschaftsfreiheit der Prostituierten, noch dem noch dem Zeitgeist entspricht?

3. Teilt er die Ansicht, dass angesichts der starren bundesgerichtlichen Rechtssprechung eine gesetzliche Präzisierung angebracht ist?

Begründung

Die Prostitution ist seit Jahrtausenden in den verschiedensten Gesellschaften allgegenwärtig, so auch in der Schweiz. Obwohl davon auszugehen ist, dass sich die Haltung eines grossen Teils der Bevölkerung in Bezug auf die Prostitution in Richtung zunehmender Toleranz geändert hat, bewegt sich dieses Gewerbe auch heute noch in einer riesigen Grauzone mit den entsprechenden negativen Folgeerscheinungen.

Ein Element dieser Diskriminierung liegt darin, dass Verträge mit Prostituierten gemäss Bundesgericht nach wie vor als "sittenwidrig" im Sinne von Artikel 20 OR betrachtet werden. In der Folge können Prostituierte ihren mit dem Freier vereinbarten Lohn nicht vor einem Zivilgericht durchsetzen. Sie sind damit auf den Goodwill der Freier angewiesen. Unsere Rechtsordnung versagt damit ihren Schutz ausgerechnet einer der verletzlichsten Bevölkerungsgruppen. Die Prostitution steht unter dem verfassungsrechtlich garantierten Schutz der Wirtschaftsfreiheit. Ihr Einkommen unterliegt dem Steuer- und Sozialversicherungsrecht. Es ist daher scheinheilig, mit der andern Hand einer Privatperson die Durchsetzung ihres Einkommens zu verbieten, da es sittenwidrig sei, mit der einen Hand aber Steuern auf diesem Einkommen zu erheben ('pecuina non olet'). Zudem haben sich seit dem letzten Vorstoss in diese Richtung auch das Moralverständnis der Bevölkerung weiterentwickelt. Davon zeugen nicht zuletzt die aktuellen politischen Bestrebungen in Zürich (Sexboxen) und Bern (Prostitutionsgesetz). Die privatrechtliche Diskriminierung dieses Gewerbes widerspricht dem Zeitgeist und ist daher selber sittenwidrig.

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