Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

10. Dezember 2014

Vorstösse

Postulat: Keine Bestrafung durch das Wirtschaftswachstum. Reale kalte Progression aufdecken

Eingereichter Text
Der Bundesrat wird aufgefordert, dem Parlament über die Auswirkungen der realen kalten Progression Bericht zu erstatten. Auch soll er aufzeigen, wie und mit welchen Folgen die reale kalte Progression beseitigt bzw. gemildert werden könnte.
Begründung
Die reale kalte Progression bezeichnet das Phänomen, dass infolge allgemeinen realen Wirtschaftswachstums die meisten Steuerpflichtigen in höhere Progressionsstufen rutschen.
Die reale kalte Progression hat zwei Folgen:
Erstens steigt durch sie die allgemeine Steuerlast nicht nur absolut, sondern auch relativ zum BIP (steigende Fiskalquote), da die Steuereinnahmen wegen der Progression stärker steigen als das Wirtschaftswachstum.
Zweitens werden tiefere Einkommensschichten überproportional mehr belastet, da die Steuerpflichtigen in der höchsten Progressionsstufe von der realen kalten Progression nicht betroffen sind. Im Extremfall landen dereinst sogar alle Steuerpflichtigen in der gleichen - der höchsten - Progressionsstufe, womit die Progression faktisch abgeschafft wäre.
Während Bund und Kantone die (nominale) kalte Progression bereits ausgleichen, ist dies für die reale kalte Progression noch nirgends der Fall. Auch ist das Phänomen in den Statistiken nicht erfasst und wissenschaftlich wenig bearbeitet.
Der verlangte Bericht soll diese Lücke füllen und mit aktuellen Daten und ihrer Analyse den Boden für eine künftige Lösung legen.
Stellungnahme des Bundesrates vom 11.02.2015

Eine progressive Einkommenssteuer bewirkt, dass die Steuerpflichtigen bei Einkommenserhöhungen in eine höhere Tarifstufe aufsteigen und mit einem höheren Durchschnittssteuersatz belastet werden. Das Steueraufkommen nimmt stärker zu als die Bemessungsgrundlage, womit die Aufkommenselastizität der Steuer grösser als 1 ist. Bei entsprechendem Gewicht der Einkommenssteuer steigt auch die gesamtwirtschaftliche Steuerquote. Diese Auswirkungen treten unabhängig davon ein, ob die zugrundeliegenden Einkommenserhöhungen real oder nominal sind.
Bei nominalen, d. h. inflationsbedingten Einkommenserhöhungen werden die Steuerpflichtigen mit einem höheren Durchschnittssteuersatz belastet, obwohl ihr reales Einkommen und damit ihre Leistungsfähigkeit nicht entsprechend angestiegen oder sogar gesunken sind. Diese unerwünschte kalte Progression wird auf Bundesebene mit einem jährlichen Ausgleich beseitigt.
Bei realen Einkommenserhöhungen werden die Steuerpflichtigen mit einem höheren Durchschnittssteuersatz belastet, weil ihr reales Einkommen und damit ihre Leistungsfähigkeit entsprechend angestiegen sind. Der damit verbundene überproportionale Anstieg des Steueraufkommens wird u. a. als "reale" Progression, "reale kalte" Progression oder "warme" Progression bezeichnet. Aus steuersystematischer Sicht besteht hier kein Handlungsbedarf, da die Besteuerung dem geforderten Realwertprinzip und den politischen Vorgaben zur vertikalen Steuergerechtigkeit, welche im progressiven Steuertarif zum Ausdruck kommen, entspricht. Falls das Steueraufkommen nicht schneller wachsen soll als die Bemessungsgrundlage, müssten periodisch Steuersenkungen vorgenommen werden, oder es müsste auf den progressiven Steuertarif verzichtet werden.
Die Schätzung der Auswirkungen der "realen" Progression auf das Steueraufkommen ist Gegenstand der jährlichen Budgetierung der Einnahmen aus der Besteuerung der natürlichen Personen. Neben den Prognosen zum Wachstum der Realeinkommen braucht es dazu Schätzungen zur Aufkommenselastizität. Auf der Basis der Einkommensstruktur von 2011 und des für 2014 geltenden Steuerrechts wird für die direkte Bundessteuer für natürliche Personen insgesamt eine Aufkommenselastizität von 2,06 geschätzt. Dies bedeutet, dass bei einer Zunahme der Realeinkommen um 1 Prozent das Steueraufkommen um 2,06 Prozent wächst. Aufgrund der Steuertarife unterscheidet sich die Aufkommenselastizität je nach Einkommensklasse. So beträgt die Aufkommenselastizität bei steuerbaren Einkommen zwischen 0 und 24 900 Franken 5,22, bei steuerbaren Einkommen zwischen 25 000 und 49 900 Franken 3,21, bei steuerbaren Einkommen zwischen 50 000 und 74 900 Franken 3,23. Die Aufkommenselastizität nimmt dann bei höheren Einkommensklassen kontinuierlich ab und beträgt ab Erreichen des Maximalsatzes von 11,5 Prozent 1. Die Aufkommenselastizität bringt vorliegend zum Ausdruck, dass die Steuerbelastung bei niedrigeren Einkommensklassen einen steileren Anstieg aufweist als bei höheren Einkommensklassen. Davon zu unterscheiden ist die durchschnittliche Steuerbelastung, welche bei steigenden Einkommen zunimmt und ab Erreichen des Maximalsatzes von 11,5 Prozent konstant bleibt.
Antrag des Bundesrates
Der Bundesrat beantragt die Ablehnung des Postulates.
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