Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

09. März 2017

Wichtige Voten im RatVorstösse

Parlamentarische Initiative Wobmann Walter. Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts

Ich bitte Sie auch, dieser parlamentarischen Initiative keine Folge zu geben. Die Hauptgründe dagegen wurden mehrfach genannt, vor allem der Föderalismus. Dann möchte ich noch die grundsätzliche persönliche Freiheit erwähnen, die auch erwähnt wurde: Wir dürfen uns in diesem Land, wenn es nicht höhere Gründe dagegen gibt, so kleiden, wie wir möchten. Und schliesslich erwähne ich den Aspekt, dass sehr vieles an sehr vielen Orten, wo wirklich etwas brennen könnte, geregelt ist, seien es die Vermummungsverbote, sei es, Kollege Minder, das Schwimmobligatorium, das gemäss Bundesgericht gilt.

Es gibt viele weitere Punkte, aber auf ein paar explizite Äusserungen der beiden Befürworter möchte ich noch kurz eingehen. Zum einen hat Kollege Minder gesagt, er fühle sich unwohl beim Anblick einer Burka. Das kann ich nachvollziehen, weil es mir ähnlich geht. Aber Unwohlsein beim Anblick einer anderen Person ist für mich in einer freiheitlichen Gesellschaft noch keine Legitimation für staatliche Verbote. Ich habe mich auch noch gefragt, wie unwohl, Kollege Minder, Ihnen wohl war, dass Sie sich für Ihre Argumentation auf fünfzehn ausländische Rechtsordnungen und sogar noch den Europäischen Menschengerichtshof (EGMR) stützen mussten.

Gleich noch zum EGMR, der auch von Kollege Lombardi erwähnt wurde. Der EGMR sagt nicht, man solle aus menschenrechtlichen Gründen ein solches Verbot einführen. Der EGMR tat sich sehr schwer mit seiner Meinungsbildung und sagt, er sehe keine Sicherheitsgründe, er sehe sowieso fast keine Gründe, aber im Sinne der nationalen Souveränität, wenn ein Land im Interesse des Zusammenlebens das so regeln wolle, solle es das halt tun. Nur das sagt der EGMR. Er lässt es zu. Wir haben es ja auch zugelassen in diesem Parlament.

Das führt mich zum nächsten Punkt. Wenn ein Kanton das tun will, ist der Tessin das schönste Beispiel, dass es geht und dass er es tun kann. Da kann ich Ihr Argument, Kollege Lombardi, nicht ganz nachvollziehen, wenn Sie sagen, Sie seien eben ein Vertreter dieses Kantons und darum müssten Sie jetzt hier unter dieser Kuppel ein nationales Verbot vertreten. Ich kann Ihnen hier aus Appenzeller Sicht Folgendes erwidern: Wir hatten ein gegenteiliges Kleiderproblem im Appenzellerland und haben dazu einschlägige Verbote erlassen. Die Innerrhödler haben ein explizites Nacktwanderverbot, wir haben ein implizites, und ich glaube sogar behaupten zu dürfen, dass es in diesem Land mehr Nacktwanderer als Burkaträgerinnen gibt; dann gibt es noch die kombinierten. Aber wir Appenzeller haben deswegen in diesem Haus jetzt nicht ein nationales Nacktwanderverbot verlangt. Das gibt es bis heute zu Recht nicht.

Dann vielleicht noch mit einer etwas ernsthafteren Note zum Stichwort Islamisierung, das steht ja hinter dem Ganzen, und ich danke Kollege Minder für seine erfrischende Offenheit, denn oft wird das abgestritten. Es heisst dann, es gehe um Chaoten und Krawallanten, aber Kollege Minder hat es auf den Punkt gebracht, es geht um die Angst vor der Islamisierung.

Ich bin auch der Meinung, dass man die Hand geben soll, wenn es Händedruckregeln gibt. Wenn die Schule baden geht - im wörtlichen Sinne, nicht im bildlichen -, dann soll man baden gehen. Man soll aber die Religionsfrage auch nicht künstlich mit Symbolpolitik anheizen. Genau dahin führt sonst eine solche Initiative. Sie haben ja selber eingeräumt, dass es Ihnen nicht um die konkreten Trägerinnen geht, sondern um das Zeichen, das man setzt.

Ich habe das Gefühl, wir seien hier bezüglich dieses Kleidungsstücks, das wir nicht kennen, zu steif. Ich hatte jüngst das Vergnügen, in Dubai zu weilen. Dort habe ich zu meinem eigenen Erstaunen gesehen, dass gefühlt ungefähr ein Drittel der Frauen einen Niqab trugen und die anderen zwei Drittel mehr oder weniger im Bikini herumliefen. Das lief völlig entspannt nebeneinander ab. Wenn man eine Weile in diesem Umfeld ist, fällt einem das gar nicht mehr auf. Ich empfinde den Anblick einer Burka in der Schweiz dennoch nach wie vor als unangenehm. Ich rücke jedoch etwas davon ab, das automatisch mit einer islamistischen Kampfansage zu verbinden. Gewisse Leute tragen das, andere nicht. Bei uns ist es ungewohnt und unangenehm, aber auch nicht mehr. Für den Fall, dass jemand dazu gezwungen wird - das soll in der Verfassung verboten werden -, verweise ich auf das Strafgesetzbuch. Das ist heute schon verboten.

Zuallerletzt noch ein Satz zu Kollege Minder: Sie haben gesagt, man solle Gesetze machen, dann müssten Sie nicht solche Volksinitiativen lancieren. Die Volksinitiative, das erleben wir ja heute live, wurde lanciert, bevor dieser Prozess abgeschlossen ist. Die Schuld liegt daher nicht beim Parlament, sondern es handelt sich um ein Kommunikations- und Politikvehikel. Dazu kann man stehen.
Ich bitte Sie, der Initiative keine Folge zu geben.

Mehr