11. Juni 2018
Wichtige Voten im Rat
Motion Rieder Beat. Landfriedensbruch ist kein Bagatelldelikt
Vielleicht denken Sie, als Appenzeller sei ich nicht prädestiniert, über Landfriedensbruch zu sprechen, da wir im Appenzellerland weder an 1.-Mai-Kundgebungen noch an Hooliganismus leiden. Unser letzter Landfriedensbruch, der verbrieft ist, fand vor ungefähr sechshundert Jahren in den Appenzeller Freiheitskriegen statt und ging sogar in unserem Sinn aus.
Aber natürlich sind auch heute Appenzeller Bürgerinnen und Bürger und Polizeibeamtinnen und -beamte betroffen, wenn in anderen Kantonen gewaltsame Manifestation stattfinden. Da kann ich zustimmen, wenn Kollega Rieder sagt, solche Delikte seien keine Bagatellen. Allerdings kann ich die vorgeschlagene Massnahme, die zwingende Kombination von Geld- und Freiheitsstrafe, aus mehreren Gründen nicht nachvollziehen.
Der erste Einwand ist ein formaler. Kollege Rieder hat ihn gerade erwähnt. Wir haben uns nämlich vorgenommen, dass wir die verschiedenen Strafrahmen in diesem Land nicht isoliert und zufällig, sondern gesamthaft harmonisierend anschauen wollen und warten da eben auf die Vorlage zur Harmonisierung der Strafrahmen. Kollege Rieder hat gesagt, wir sollten hier etwas beschleunigen, denn wir würden schon lange darauf warten. Das stimmt, wir haben lange darauf gewartet. Aber nun ist sie da. Die Kommission wird sehr bald darüber befinden können, und das geht bestimmt schneller, als wenn Sie zu dieser hängigen Botschaft jetzt noch Motionen durch beide Räte bringen wollen. Die Motion wird älter sein als die alte Fasnacht, bis sie durch beide Räte ist. Das ist das Formale. Als Antrag wäre es viel effizienter.
Nun noch ein paar Gedanken zum Inhalt. Um ein Missverständnis auszuräumen, das vielleicht entstanden ist: Derjenige, der diese Fackel oder diesen Stein wirft, etwas zerstört oder beschädigt, der wird bestraft für Sachbeschädigung, Körperverletzung, vielleicht fahrlässiger Tötung und, wenn Beamte im Spiel sind, obendrauf sogar noch wegen Gewaltandrohung gegen Beamte und, wenn es eine gewaltsame Zusammenrottung ist, obendrauf noch wegen Landfriedensbruchs. Dieser Landfriedensbruch ist aber ein Auffangdelikt und bestraft eben gerade nicht die Gewalttat, sondern er bestraft denjenigen, der auch dabei ist und der sich nicht entfernt. Er wird nicht wegen der Gewalt bestraft, sondern weil er durch sein Herumstehen die Masse mitträgt oder abschirmt. Wir reden hier also nicht von den schweren Jungs. Wir reden hier von den Mitläufern.
Es kann nun nicht sein, dass diese Mitläufer - auch wenn sie strafbar handeln - schärfer bestraft werden, als die eigentlichen Täter. Aber das kann natürlich passieren: Wenn wir hier eine zwingende Freiheitsstrafe für den Mitläufer einführen, dann hat er eine schärfere minimale Strafe als zum Beispiel jemand, der ausserhalb einer Demonstration jemanden vorsätzlich verletzt oder sogar fahrlässig tötet. Dort gibt es keine zwingenden Freiheitsstrafen, und das sind doch definitiv schwerere Straftaten, als blosser Mitläufer bei einer Manifestation zu sein. Wir würden hier also die Sanktionen etwas aus dem Lot bringen.
Das wahre Problem hat Kollege Rieder auch implizit erwähnt: Es ist gar nicht der Strafrahmen, der nicht genügend scharf ist, sondern es ist, dass man diese Leute gar nicht erwischt, gar nicht packt. Er hat diese neunzig Hooligans erwähnt, von denen keiner verhaftet worden sei. Das ist doch das Problem! Aber das ist natürlich viel unangenehmer anzugehen: Dazu muss man die Polizeikorps aufstocken, es müssen die entsprechenden Einsatzbefehle gegeben werden, die man oft aus guten Gründen nicht geben will. Diese Leute zu packen, schnell und konsequent, wäre ja viel wirksamer, als hier quasi symbolisch als Ersatzhandlung diesen Strafrahmen etwas systemwidrig zu verbiegen.
Ein weiterer Punkt ist, dass die Art und Weise, wie die Sanktionen skizziert werden, halt schon sehr wesensfremd ist für unser Strafrecht, und zwar in Bezug auf beide Elemente: Die zwingende Geldstrafe sehen wir heute nur bei Vermögensdelikten vor, weil man denkt, dass diese Leute Geld-affin sind; man will sie beim Vermögen packen. Die zwingende Kombination von Freiheits- und Geldstrafe gibt es nur ein einziges Mal im ganzen Strafgesetzbuch, und zwar beim Menschenhandel. Das ist auch ein Handel, wie der Name schon sagt; da will man die Leute beim Geld packen. Warum man nun die Mitläufer an Demonstrationen mit einer zwingenden Geldstrafe packen will, ist mir nicht klar, zumal sich der Motionär gerade an der Geldstrafe als zu schwacher Strafe stört. Bedingt bliebe sie ja ohnehin, genau wie heute. Die Freiheitsstrafe wäre sogar noch tiefer, weil ja zwingend noch die Geldstrafe irgendwie mit aufgewogen werden müsste.
Das andere Element ist die zwingende Freiheitsstrafe. Diese ist aber genauso systemfremd. Wir haben sie ja am 1. Januar dieses Jahres als Möglichkeit wieder eingeführt. Aber wir haben dem Richter eben die Geldstrafe und die Freiheitsstrafe als Instrumente auf den Tisch gelegt, damit er entscheiden kann, was jeweils passt. Diese Wahlfreiheit, die wir vor wenigen Monaten erst gerade allgemein eingeführt haben, genau für dieses eine Delikt aus Hunderten von Delikten im Strafgesetzbuch einzuschränken, schafft meines Erachtens nur eine Inkonsistenz. Damit wir konsistent bleiben, haben wir ja eben die Strafrahmenharmonisierung.
Zum Schluss: Diese Motion löst das eigentliche Problem des Motionärs, wie ich es verstehe, nicht. Er stört sich ja vor allem an den bedingten Geldstrafen. Diese blieben aber genauso; dazu hätte man einfach noch eine bedingte Freiheitsstrafe von drei Tagen. Das käme ja ungefähr auf das Selbe hinaus. Wie gesagt, das wahre Mittel wäre, dass man die Leute überhaupt packt.
Zu meinem Fazit: Auch wenn Sie wie ich finden, dass Krawallanten zu bestrafen sind und hart zu bestrafen sind, dann dürfen Sie diese Motion dennoch guten Gewissens ablehnen. Wenn Sie da mehr Härte wollen, dann können Sie das im Rahmen der Strafrahmenharmonisierung viel effizienter erledigen. Viel wichtiger schien es mir ohnehin, dafür zu sorgen, dass die Gewalttäter und die Mitläufer überhaupt erwischt und bestraft werden. Aber dazu leistet die Motion ja leider keinen Beitrag; es ist auch enorm schwierig und eine kantonale Aufgabe. Aber das würde mehr bringen, als hier das Strafrecht in Schieflage zu bringen.
Ich bitte Sie also, die Motion abzulehnen.