Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

15. Juni 2023

Vorstösse

Begründungspflicht beim Erlass von Notrecht

Eingereichter Text

Der Bundesrat sei mittels zu schaffender Gesetzesbestimmung zu verpflichten, beim Erlass von Notrecht jeweils konkret zu begründen, inwiefern der jeweilige Rückgriff auf Notrecht rechtlich zulässig ist.

Begründung

Der Bundesrat hat sich in jüngster Vergangenheit zunehmend auf seine Notrechtskompetenzen berufen. Auch nach der Reform 20.437/20.438 verbleibt dem Bundesrat punkto Notrecht eine erhebliche Machtfülle. Namentlich entscheidet der Bundesrat weiterhin selber, ob die Voraussetzungen für Notrecht gegeben sind. Das Parlament hat diesbezügliche Einschränkungen (namentlich eine präventive Kontrolle durch eine Rechtsdelegation oder Gerichte) klar abgelehnt.

Was Parlament und Öffentlichkeit jedoch vom Bundesrat im Minimum verlangen müssen, ist dass der Bundesrat bei der Anrufung seiner Notrechtskompetenzen zumindest Rechenschaft darüber ablegt, ob die rechtlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

Eine solche Begründungspflicht ist für die Botschaften zu Gesetzesentwürfen selbstverständlich (Art. 141 ParlG). Doch ausgerechnet bei Notverordnungen fehlt eine entsprechende Begründungspflicht, obschon Notverordnungen gesetzesvertretend, ja sogar gesetzesderogierend wirken können.

Zwar könnte der Bundesrat eine solche Begründung schon heute freiwillig liefern. In der Praxis aber tut er es kaum je, zumindest nicht systematisch und substantiell. Die Erläuterungen zu Notverordnungen beschränken sich auf die Sache und decken kaum je die Frage ab, ob Notrecht vorliegend überhaupt zulässig sei. Sodann entstammen diese Erläuterungen formal zumeist bloss einem Departement, nicht dem Bundesrat. Auch die erwähnte Reform des ParlG wird an dieser Situation kaum etwas ändern, da auch sie keine solche rechtliche Begründungspflicht vorsieht.

Der Bundesrat wird durch eine solche Pflicht keinen zusätzlichen Aufwand haben, da er die entsprechenden Überlegungen ohnehin anstellen muss (er wird ja kaum Notrecht anwenden, ohne die Frage der Zulässigkeit vertieft zu klären). Parlament und Öffentlichkeit erhalten damit aber neu Transparenz in dieser Kernfrage des demokratischen Rechtsstaats. Die Massnahme wird ausserdem Qualität und Legitimität der Entscheidprozesse verbessern.

Naheliegender Regelungsort wäre das RVOG, zumindest für Verordnungen i.S.v. Artikel 184-185 BV. Im selben Sinne könnte man eine solche Begründungspflicht auch für spezialgesetzliche “Krisenklauseln” (z.B. Art. 6 f. EpG, Art. 31 ff. LVG etc.) vorsehen, sei es spezialgesetzlich oder ebenfalls im RVOG.

Mehr