Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

26. September 2019

Politische Arbeit | Wichtige Voten im Rat

Ja zum Verhüllungsverbot. Volksinitiative und indirekter Gegenvorschlag

Als grosser Kinofreund erinnert mich diese Initiative ein wenig an die Technik, mit der erfolgreiche Filmstudios ihre grössten Kassenschlager dann Jahr für Jahr mit viel Marketing neu auflegen. Den Film "Gefährliche Symbole. Das Abendland geht unter" habe ich vor ziemlich genau zehn Jahren schon gesehen. Damals ging es um Minarette - Sie erinnern sich. Aktuell läuft Teil zwei, das ist dann quasi "Egerkingen schlägt zurück". Das Drehbuch ist zum Verwechseln ähnlich, neu geht es um Gesichtsverhüllung.
Die Initiative hat aber auch inhaltlich - ich meine das sehr ernst - eine Parallele zum Film, vor allem zum Genre des Gruselfilms, weil sie sehr gekonnt mit realen Ängsten und Unbehagen der Menschen spielt oder diese anspricht. Das funktioniert sogar bei mir, ich gebe es zu. Wenn ich dunkle, verhüllte Gestalten sehe, dann löst das auch bei mir Unbehagen aus; das ist tief in uns drin.
Wie in den erwähnten Filmen folgt am Schluss die wohlige Erlösung. Das übermächtig scheinende Böse wird mit erstaunlich simplen Mitteln überwunden, und man verlässt dann den Kinosaal oder eben den Urnengang in angenehmer Erleichterung. Aber so imaginär dieser Sieg im Kino ist, so flüchtig ist er dann auch an der Urne. Denn weil die Initiative wie schon bei den Minaretten primär auf die Symbole zielt, verändert sich eben in der Realität kaum etwas. So schnell wie der Hunger nach einer Portion Popcorn zurückkommt, ist auch das Unbehagen wieder da - und damit ist in einer Dauerschlaufe aus Angst, Nahrung derselben und Scheinlösung schon der Boden für den nächsten Teil gelegt.
Ich wäre gerne bereit, für die realen Probleme, die sich ergeben können, konkrete Lösungen anzuschauen. Ich stelle aber Folgendes fest, wenn ich die Initiative anschaue:
Stichwort Sicherheit, das wurde erwähnt: Hier sind die Kantone zuständig. Wenn sie gegen Hooligans etwas machen wollen, dann tun sie das bereits heute, auch im Verbund. Bezüglich des Terrors von Burkaträgerinnen muss man einfach sagen: In Basra im Irak mag das funktionieren, in der Schweiz wird nie jemand so dumm sein, einen Anschlag in einer Burka zu planen. Mehr Aufmerksamkeit kann man nicht auf sich ziehen.
Stichwort "Frau", das wurde von der Kommissionssprecherin auch erwähnt: Ich glaube, wenn man wirklich etwas für Frauen tun will, dann ist das hier die grösstmögliche Kanone für die kleinstmögliche Wirkung, denn wenn es überhaupt etwas bewirkt, dann, dass Sie einfach ein paar arabischen Touristinnen ein Stück Stoff wegnehmen. Ich glaube, mit diesen Mitteln könnte man Effektvolleres erreichen - ich denke nur ans Stichwort Frauenhäuser, die Frauen wirklich etwas bringen könnten.
Integration finde ich ein wichtiges Thema. Für mich ist es relativ klar: Wenn Frauen eine Burka tragen, dann sind sie nicht integrationsfähig. Dann sollen sie keine Aufenthaltsbewilligung kriegen, keine Niederlassungsbewilligung und schon gar nicht die Möglichkeit einer Einbürgerung. Das sollte heute schon so funktionieren. Dann bleiben eigentlich nur noch eine Schweizer Konvertitin, vielleicht noch irgendwo eine Europäerin und Touristinnen, die vom Verhüllungsverbot in der Schweiz betroffen wären.
Die Ausnahmen sind noch ein relevanter Punkt. Die sind ja, wie die Kommissionssprecherin richtig gesagt hat, abschliessend aufgezählt. Es steht im Initiativtext "abschliessend", da hat man schlicht ein paar Kategorien einfach gar nicht erwähnt oder daran gedacht. Frau Bruderer Wyss hat ein paar erwähnt.
Die Wirtschaftsfreiheit möchte ich noch erwähnen. Man kann da z. B. an Strassenkünstler denken. In Wien wurde ein Musiker gebüsst, weil er eine Pferdemaske aufgesetzt hatte. Auch in Österreich wurde ein Mann nicht als Musiker, sondern als Werbeträger gebüsst, der für die Firma McShark in einem Haifischkostüm posiert hat; der wurde dann auch gebüsst, was zu Belustigungen Anlass gab, weil man sagte, endlich komme auch die "Hai-Society" zur Kasse.
Oder auch politisch werden ja solche Kostüme verwendet. Die Initianten selber waren vermummt auf dem Bundesplatz! Also muss man sehen, auch politisch kann es interessante Aktionen geben.
Ich habe dann auch noch an die Fussballmaskottchen gedacht. Ich hatte jüngst in St. Gallen das Vergnügen, mit einem Fussballmaskottchen auf der Wiese zu stehen. Es wäre ja nur einheimisches Brauchtum zulässig, und Fussball kommt bekanntlich aus England - an Halloween gar nicht zu denken.
In der Kommission habe ich die Initianten gefragt, wie sie das denn sehen würden, und sie haben gesagt, man könne dann schon eine Lösung finden. Aber ich erinnere mich noch gut daran, wie getobt wurde, als das Parlament bei der Masseneinwanderungs-Initiative bei der Verfassungsbestimmung eine Lösung finden wollte.
Der Föderalismus wurde erwähnt. Ich möchte aber noch meinen letzten Punkt kurz ausführen: Was sind die Nachteile des Ganzen?
Man könnte sagen, es sei ja belanglos, ein Stück Stoff mehr oder weniger. Aber ich habe die Parallele zum Gruselfilm gezogen. Ich befürchte, mit einer solchen Initiative, schon mit dem Teil zwei, schürt man bewusst ein Unbehagen bis hin zum religiösen Unfrieden, wie es auch Kollege Cramer gesagt hat. Jetzt richtet es sich gegen den Islam. Wenn wir unsere Verfassung in historischer Reihenfolge anschauen, ging es zuerst gegen die Jesuiten, später gegen die Juden und die Katholiken und jetzt eben in Zweitauflage gegen den Islam. Ich glaube, das ist auch der Grund, warum sich hier auch die jüdische Gemeinschaft dagegen wehrt, nicht weil sie islamophil wäre, sondern weil sie seit über 3000 Jahren weiss, wie es sich anfühlt, wenn man auf ihre Bräuche losgeht.
Ich glaube, wenn es wirklich so weit kommen sollte, dass es losgeht - es gibt da die gewaltbereiten Radikalen jeglicher Couleur: links, rechts, religiös oder fundamentalistisch -, haben wir die Instrumente dafür, und die Frau Bundesrätin ist daran, diese Instrumente noch zu verschärfen.
Ich bitte Sie also, diese Initiative zur Ablehnung zu empfehlen. Sollte auch dieser zweite Teil der Minarett-Initiative allzu viel Umsatz machen, dann dürfen wir uns schon auf Teil drei freuen, wo es dann, wie die Studiobosse schon angekündigt haben, um Gebetsteppiche gehen könnte.
Ich danke Ihnen daher, wenn Sie Bundesrat und Mehrheit unterstützen.
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