25. September 2024
Voten im Rat
Ausserordentliche Session. Europäische Menschenrechtskonvention
Wir haben im Juni in diesem Rat den EGMR scharf für seine jüngste Rechtsprechung kritisiert. Diese Debatte müssen wir aber heute nicht wiederholen. Unsere Erklärung ist klar. Auch Nationalrat und Bundesrat haben sich ihr jeweils auf ihre Weise angeschlossen.
Diese Motion richtet nun den Blick nach vorne. Ich sehe vier Optionen.
Die erste Option ist: Wir tun gar nichts. Wir nehmen also die Rechtsprechung des EGMR umfassend hin und setzen sie um – allenfalls minimalistisch und auch mal unter Protest, wie im Klimaurteil. Übersetzt in die Sprache des Sports hiesse das: Wir motzen über den Schiedsrichter, aber ändern sonst nichts. Das scheint mir etwas zu wenig, auch die Mängel im System blieben bestehen.
Die zweite Option ist: Wir beschliessen, das Urteil im Einzelfall nicht umzusetzen. Wiederum übersetzt in die Sprache des Sports hiesse das: Wenn der Schiedsrichter anders pfeift, als wir uns das wünschen, dann ignorieren wir ihn punktuell. Das ginge mir dann zu weit. So würden wir das Spiel im Sport bzw. das Menschenrechtssystem und das Ansehen der Schweiz als vertrauenswürdige Vertragspartnerin beschädigen.
Dann gibt es die dritte Option, die uns Herr Stark vorgestellt hat: Wir treten aus der EMRK und allenfalls auch aus dem Europarat aus. In die Sprache des Sports übersetzt: Wir verlassen die Liga, weil uns der Schiedsrichter nicht passt. Das wäre zwar die technisch konsequentere und sauberere Lösung, als Urteile zu ignorieren – also die zweite Option -, aber der Schaden am Menschenrechtssystem, auch am Ansehen der Schweiz wäre natürlich ungleich grösser. Es liegt mir hier am Herzen zu betonen, dass ich das System des europäischen Menschenrechtsschutzes sehr wertvoll finde. Es schützt die Menschenrechte in Europa, in anderen Ländern, auch von Schweizern in diesen anderen Ländern. Unser Austritt wäre ein Jubeltag für Autokraten, die es auch in Europa gab und teilweise noch gibt. Das System ist aber schlussendlich auch in der Schweiz eine rechtsstaatliche Rückversicherung gegen staatliche Willkür. Daher entfällt für mich auch diese Option.
Damit komme ich zur vierten und letzten Option, Herr Stark hat sie in seiner Begründung zumindest schon mitschwingen lassen: Wir reformieren, was uns nicht passt. Übersetzt in die Sprache des Sports: Wir optimieren das Schiedsrichterreglement und die Schiedsrichterausbildung.
Das ist das, was diese Motion will. Wir verbessern den EGMR innerhalb des Systems. Dazu muss der Bundesrat auf die anderen Vertragsstaaten zugehen, das sind immerhin die Herren der Verträge – ich erinnere an das Zitat von Herrn Stark -, die Auftraggeber des EGMR. Diese sollen ein neues Zusatzprotokoll aushandeln. Nach aktueller Zählung wäre es das siebzehnte, also nicht das erste. Das Zusatzprotokoll soll den EGMR an seine Kernaufgaben erinnern. Wenn man ans Klimaurteil denkt, kommt man zum Schluss, dass da verbindlich im Text ein paar Hinweise anzubringen wären.
Erstens könnte man im Zusatzprotokoll klar sagen: Es gibt keine ideelle Verbandsbeschwerde, sondern nur konkrete Beschwerden Betroffener. Zweitens könnte man klarmachen, dass die Ermessensspielräume der Staaten noch stärker zu achten sind und der EGMR nur subsidiär tätig ist. Drittens könnte man sagen, dass nur konkrete Verletzungen zu adressieren sind und nicht abstrakte globale Entwicklungen mit diffusen Kausalketten. Viertens könnte man dem EGMR in einem solchen Protokoll klarmachen, dass seine einzige Aufgabe darin besteht, die EMRK anzuwenden – und nicht beliebige andere Staatsverträge. Diese Option scheint mir der richtige Weg zu sein.
Kollege Stark, Sie haben oft von “evaluieren”, “reformieren” und “fokussieren” gesprochen. Ich glaube, diese Stichworte liessen sich in der vierten Option grossartig abbilden, sodass wir dann ein gutes Resultat hätten.
Ich freue mich, dass der Bundesrat die Motion zur Annahme erklärt, also bereit ist, diesen Schritt auf die anderen Vertragsstaaten zuzumachen, und freue mich, wenn Sie der Motion zustimmen.