Andrea Caroni

Ihr Ausserrhoder Ständerat

10. Juni 2020

Politische Arbeit | Wichtige Voten im Rat

AHVG. Änderung (Systematische Verwendung der AHV-Nummer durch Behörden)

für die Kommission:

Diese Vorlage möchte eine allgemeine bundesrätliche Grundlage dafür schaffen, dass die Behörden aller Staatsebenen die AHV-Nummer systematisch als Personenidentifikator verwenden können. Gleichzeitig setzt die Vorlage auch inhaltliche Standards, damit der Datenschutz gewährleistet ist. Was auf den ersten Blick wie ein massiver Schritt in Richtung behördlicher Überwachung dank einheitlichem Identifikator aussehen mag, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als sanfte technische Optimierung ohne nennenswerte Schwierigkeiten.
Um das zu sehen, muss man sich vor Augen halten, was die AHV-Nummer ist und was die AHV-Nummer nicht ist. Was sie ist: Die AHV-Nummer ist ein eindeutiger Identifikator, denn jede natürliche Person hat genau eine einzigartige, individuelle Nummer - sie ist wie ihr Fingerabdruck. Durch diese Eindeutigkeit unterscheidet sie sich von den üblichen Identifikatoren, die man verwendet, namentlich Vorname, Name und Geburtstag, die bekanntlich mehrfach vorkommen können. Die am häufigsten vorkommende Kombination von Vorname und Name in unserem Rat ist wahrscheinlich "Martin Schmid". Ich habe ihn gefragt, und er hat mir das bestätigt. Alleine auf Local.ch gibt es 25 davon, und alleine in Chur gibt es zwei Rechtsanwälte namens Martin Schmid. Wenn diese beiden jetzt auch noch am gleichen Tag Geburtstag haben, dann sind sie nicht mehr eindeutig identifizierbar. Statistisch gesehen ist bei 25 Menschen die Chance, dass zwei am gleichen Tag Geburtstag haben, grösser, als die Chance, dass das nicht der Fall ist. Die AHV leistet hier also genau das - nicht mehr und nicht weniger -, eine Person eindeutig zu identifizieren; dies sogar, wenn sie denselben Vornamen, Nachnamen und Geburtstag wie eine andere Person hätte.
Fast noch wichtiger zu wissen ist, was die AHV-Nummer nicht ist. Seit 2008 ist sie keine sprechende Nummer mehr. Wenn also jemand Ihre AHV-Nummer kennt, dann weiss er rein gar nichts über Sie, ausser dass Sie in der Schweiz sind. Auch kann man mit der AHV-Nummer niemanden identifizieren: Anders als der Pass, die ID oder dann später die E-ID enthält sie eben gerade keine Informationen über Sie als Person, und Sie können sich damit nirgends einloggen, anmelden oder ausweisen. Wenn also jemand Ihre AHV-Nummer kennt, dann kann er damit nichts anstellen.
Auch die Verknüpfung der Daten wird mit dieser Vorlage nicht erleichtert. Das war persönlich mein erstes Bedenken, dass man dann plötzlich viel über eine Person weiss, wenn in verschiedenen Datenbanken die gleiche Zahl steht. Die Rechtsgrundlage wird aber weiterhin so sein, dass man nicht mehr verknüpfen darf als vorher. Wenn also jemand Zugriff auf Datensatz A hat, dann darf er diesen keineswegs, auch mit diesem Gesetz nicht, einfach mit Datensatz B verknüpfen oder nur schon in Datensatz B hineinschauen. Dieses Recht zur Verknüpfung oder Nichtverknüpfung wird nicht ausgeweitet.
Eine weitere Sorge waren schliesslich Private, namentlich Hacker. Auch sie können mit der AHV-Nummer als Identifikator aber kaum etwas anfangen. Wie gesagt: Es stehen keine Informationen über eine Person drin. Man kann sich damit nirgends anmelden und nirgends einloggen, man kann die Daten eben auch nicht verknüpfen. Sogar wenn sich jetzt ein Hacker privat in verschiedene Datenbanken einhacken würde - was schon mehrere Straftaten wären -, dann bräuchte er diese Nummer nicht, um die verschiedenen Deliktresultate miteinander zu verknüpfen. Einem Hacker reichen Vorname, Name und Geburtsdatum. Damit hat er, sagt man uns, ohnehin eine Genauigkeit der Verknüpfung von 99,98 Prozent. Ob es dann 100 Prozent sind oder ob er ein paar Spam-Mails an die Falschen schickt, ist dem Hacker egal.
Jetzt kann man sich fragen: Worin liegt der Gewinn für die Behörden, wenn sie eine hundertprozentige Identifizierung haben? Reichen nicht auch 99 Prozent oder so? Da liegt der grosse Unterschied: Die Behörden brauchen eine hundertprozentige Identifikation. Wenn jemand Anspruch auf Witwenrente hat, kann der Staat nicht einfach sagen: "Sorry, wir haben die Witwenrente einer anderen Person, die auch Ruth Meier hiess, bezahlt, weil wir dachten, es sei dieselbe Person." Dem Hacker ist das egal, beim Staat funktioniert das aber nicht. Mir wurde auch schon von Leuten berichtet, die Steuererklärungen von anderen Personen mit gleichem Namen zugeschickt erhalten haben. Sie sehen, das darf sich der Staat nicht erlauben - im Unterschied zum Hacker, der ohnehin Unerlaubtes tut. Diese Verknüpfung ist auch wichtig, wenn wir dereinst zum Beispiel ein einheitliches Betreibungsregister oder eine einheitliche Betreibungsregisterabfrage einführen wollten. Das ist auch ein Anliegen, das in diesem Rat noch hängig ist. Da muss man die Leute auch eindeutig identifizieren können.
Diesen Gewinn an Präzision und an Vereinfachung in der Digitalisierung kriegt man ohne Einbusse beim Datenschutz. Das hat uns auch der EDÖB versichert. Im Gegenteil, wir führen neu gleichzeitig Leitplanken für den Datenschutz ein. Schon heute könnte nämlich jedes Gemeinwesen per Gesetz diesen Identifikator zulassen. Das haben auch wir und die Kantone in verschiedenen Gesetzen schon getan, aber eben ohne diese Leitplanken.
Die Minderheit wendet an sich zu Recht ein, dass der Nutzen der Vorlage überschaubar ist. Da ja der Gesetzgeber schon Anpassungen vornehmen könnte, könnte er mit vielen einzelnen Gesetzen genau dasselbe Resultat erzielen. Wir sind aber effizienter. Wir machen es in einem Gesetz. Wir ersparen uns viele Anpassungen von Bundesgesetzen, und den Kantonen und Gemeinden ersparen wir ebenfalls viele Anpassungen. Gleichzeitig stärken wir den Datenschutz und verhindern etwas den Wildwuchs. Im Bereich der Digitalisierung bewirken wir mit vielen kleinen Schritten, dass wir gesamthaft moderner, effizienter und auch qualitativ hochstehender werden. Damit wird nicht nur der Datenschutz, sondern auch die Datenqualität gestärkt. Das dient in meinem Beispiel von vorhin eben der Witwe, die ihre Rente wirklich kriegt, oder dem Bürger, der wirklich die richtige Steuererklärung und nicht die eines Nachbarn erhält. Daher sollte man, auch wenn der Gewinn klein ist, diese tiefhängende, zarte Frucht pflücken.
In der Detailberatung haben wir nur zwei Punkte angepasst, wovon einer redaktioneller Natur ist.
Gesamthaft bitte ich Sie namens der Mehrheit Ihrer Kommission von 7 zu 3 Stimmen, auf die Vorlage einzutreten und dann - das haben wir mit 7 zu 4 Stimmen beschlossen - die Vorlage anzunehmen.

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